TWI KP: Kantus 35 / Seite 66
Strophen: Josef Victor von Scheffel, 1846
Weise: Stephan Gruwe, 1862
- Das war der Zwerg Perkêo im Heidelberger Schloss,
an Wuchse Klein und winzig, an Durste riesengross, Man schalt ihn einen Narren, er dachte: „Liebe Leut’, |: wärt ihr wie ich doch alle feuchtfröhlich und gescheut.“ :|
- Und als das Fass, das grosse, mit Wein bestellet war,
da war sein künft’ger Standpunkt dem Zwergen völlig klar, „Fahr wohl“, sprach er, „o Welt, du Katzenjammertal, |: was sie auf dir hantieren, ist wurst mir und egal!“ :|
- „Um lederne Ideen rauft man manch heissen Kampf,
es ist im Grund doch alles nur Nebel, Rauch und Dampf. Die Wahrheit liegt im Weine. Beim Weinschlurf sonder End’ |: erklär’ ich alter Narre fortan mich permanent.“ :|
- Perkêo stieg zum Keller; er kam nicht mehr herfür
und sog bei fünfzehn Jahren am rhein’schen Malvasier. War’s drunten auch stichdunkel, ihm strahlte inneres Licht, |: und wankten auch die Beine, er trank und murrte nicht. :|
- Als er zum Fass gestiegen, stand’s wohlgefüllt und schwer,
doch als er kam zu sterben, klang’s ausgesaugt und leer. Da sprach er fromm: „Nun preiset, ihr Leut’ des Herren Macht, |: die in mir schwachem Knirpse so Starkes hat vollbracht!“ :|
- „Wie es dem kleinen David ge’n Goliath einst gelang,
also ich arm Gezwerge den Riesen Durst bezwang. Nun singt ein de profundis, dass das Gewölb’ erdröhnt |: das Fass steht auf der Neige, ich falle sieggekrönt.“ :|
- ... Perkêo ward begraben. – Um seine Kellergruft
beim leeren Riesenfasse weht heut’ noch feuchte Luft, und wer als frommer Pilger frühmorgens ihr genaht: |: weh ihm! als Weinvertilger durchtobt er nachts die Stadt. :|
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